Bei der Gestaltung kritischer Systeme muss man risikobewußt mögliche Gefahren sowie Maßnahmen bedenken und abwägen.
Betrachtet man die Bayrische Verfassung als Betriebssystem für den Freistaat wird klar, welche Reichweite auch scheinbar unbedeutende Verfassungsänderungen haben können. Unter Berücksichtigung dieser Reichweite wird klar, dass eine kritische Diskussion im Sinne der Systemrelevanz nur ungenügend stattgefunden hat.
Die Verantwortung der Verfassungsänderung wird letztendich gemäß der bayrischen Verfassung Volksentscheiden überlassen.
Richard Leopold – Direktkandidat für den Landtag im Wahlkreis Forchheim – warnt davor, diese Volksentscheide als unwesentliche „Luftnummern“ zu betrachten und rät dazu, sich gemäß der Lebensweisheit „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen“ risikobewußt zu zeigen. Er fordert auf, darüber nachzudenken, was geschehen kann, wenn diese neuen Staatsziele ausgereizt werden:
Die Verfassungsänderungen geben nicht dem Bürger mehr Rechte, sondern ermächtigen die jeweils herrschenden Politik. Die so bestimmten neue Staatsziele werden in der Substanz durch die jeweils herrschende Politik bestimmt, es sind scheinbar inhaltsleere Platzhalter, die jedoch Politik sowie Staat generell ermächtigen, umfassend Einfluss auf die Lebensverhältnisse und Arbeitsbedinungen der Menschen zu nehmen.
Dieser Faden zieht sich faktisch durch alle fünf Verfassungsänderungen. Zwischen den Zeilen der jeweiligen parteipolitischen Begründungen ließt man den Anspruch heraus, die Menschen im Land zu bewirtschaften: Die Anmaßung politischer wie volkswirtschaftlicher Ideologie als ökonomische Ethik; – der Mensch und sein Eigentum als Rohstoff des Staatsbetriebs und seiner Mitarbeiter.
Jedoch auch wenn man den Verfassungsänderungen wohlwollend gegenübersteht, kann man aufgrund ihrer Unklarheit durch vielfältige Interpretationsmöglichkeiten sowie fehlender verfassungsmäßiger Beschränkungen gar nicht absehen, was diese Änderungen am System tatsächlich für Auswirkungen haben werden.
Davon auszugehen, dass es nur unwesentliche „Luftnummern“ sind, ist zumindest fahrlässig – angesichts der Tragweite einer Staatsverfassung.
Auch sind die regierenden Amtsträger und Abgeordneten nicht zwangsläufig Freunde der Menschen: Die Vergangenheit beweist, dass gerade diese nicht unbedingt vertrauenwürdig sind, da sie sich selbst und alles was sie stützt als alternativlos systemrelevant begreifen können.
Die wesentliche Bedeutung einer freiheitlichen, demokratischen, sozialen wie rechtsstaatlichen Staatsverfassung ist, Recht zum Wohle jedermanns zu verwirklichen, um die Menschen so vor willkürlicher Gewalt – insbesondere der Staatsgewalt – zu schützen.
Das die herrschende Politik in der Versuchung ist, sich Hintertürchen in die Verfassung einzubauen, durch die man nötigenfalls Schadsoftware in das Betriebssystem einbinden kann, ist verständlich.
Beispiele hierfür gibt es in der heutigen politischen Praxis zuhauf.
Richard Leopold empfiehlt, allen fünf Verfassungsänderungen in den Volksentscheiden mit „Nein“ zu begegnen.
Es ist schon erstaunlich wie wohlklingend die Kurzfassungen der Volksentscheide für den 15.9.2013 sind. Für Richard Leopold, Direktkandidat für den Landtag im Wahlkreis Forchheim, stellen sich jedoch weiterführend Fragen.
Wieso strebt man zur Landtagswahl Volksentscheide zu einem Beschluss vom 20.06.2013 an, ohne tatsächlich eine öffentliche Diskussion zu initiieren bzw. zu führen?
Man wundert sich, dass zu dem Beschluss der Verfassungsänderungen keine Debatte oder Disput in der Öffentlichkeit geführt wird. – Das Vorgehen macht stutzig. Man fragt sich, ob das den Bedingungen geschuldet ist unter denen die Volksabstimmungen durchgeführt werden: Quasi en block und zeitgleich mit der Landtags- und Bundestagswahl.
Wieso sind diese Entscheidungen nicht Thema im Wahlkampf?
Es wird schnell klar: Die Verfassungsänderungen sind mit großer Mehrheit über alle Fraktionen hinweg kurz vor der Sommerpause erwirkt worden. Die Einigkeit der diesem Beschluss entsprechenden Blockparteien erzeugt auch im Wahlkampf keine öffentlich geführte Debatte über die einzelnen Abstimmungen.
Faktisch wird das Thema der Verfassungsänderungen durch Land- und Bundestagswahlkampf vernebelt. So will man scheinbar ohne große Widerrede bzw. Diskussion die fünf Verfassungsänderungen mit der Landtagswahl entscheiden lassen.
Fünf Änderungen des Staatsrechts faktisch im Block beschlossen. War für jede Fraktion eine Wunschänderung dabei?
Die faktische Blockbildung der Parteien zu den Verfassungsänderungen gibt den Anschein, dass durch herrschende Politik das Staatsrecht zu ihrem Zwecke und zu Lasten Dritter – jedermanns – geändert wird.
Weitere Fragen stellen sich:
- Wird im Wesentlichen einvernehmlich der Herrschaftsanspruch einer zentralistischen Politik manifestiert?
- Will eine politische Klasse die Bedingungen für das Leben der Menschen und ihre Verhältnisse bestimmen?
Den Grünen muss man anrechnen, dass die Abgeordneten ihrer Fraktion mehrheitheitlich gegen die Verfassungsänderungen sind – nur fünf Abgeordnete haben zugestimmt, eine Enthaltung. Die Grünen lehnen generell die Verfassungsänderungen ab.
Sogar in der FDP-Fraktion findet sich eine Enthaltung; – der Rest diffusen Empfindens einer Liberalität? Der Haushaltsexperte der Landtagsliberalen, ein Befürworter der Schuldenbremse interpretiert „Generationengerechtigkeit“ mit den Worten. „Jede Generation muss mit den Mitteln auskommen, die sie erwirtschaftet.“ – Was ist das?! Der grundlegende Gedanke zu einer Erbschafts- bzw. Schenkungssteuer?
Die anderen Blockflöten haben geschlossen zugestimmt: Die CSU „reagiert auf neue Herausforderungen“ und „hält unsere Verfassung so lebendig„. Die SPD verfasst dazu gleichartig eine jeweilige „Position der BayernSPD“. Die nicht mehr ganz so Freien Wähler sehen „Bayerns Besonderheiten“ als „Staatsziele“ gesichert.
Die Begründungen zu den Verfassungsänderungen sind ein parteipolitisches WünschDirWas. Trotz des mit dem Landtagsbeschluss geschaffenen Begründungen ist keine eindeutig gesetzliche Klarstellung dieser Staatsziele geschaffen. Hier scheinen verschiedenste politische Wahrheiten diffus in sich verschmiert.
Es scheinen Platzhalter in die Verfassung eingepflegt zu werden, die dann nach der Machtübernahme beliebig interpretiert werden können.
Zudem ist vollkommen klar, dass in den Gemeinden jeder regierende Parteifreund sich über eine „angemessene finanzielle Ausstattung“ durch eine partnerschaftliche Staatsregierung freut, die ihre Städte und Gemeinden nicht alleine lässt. – Ohne zu bemerken, dass der Freistaat sowieso verplichtet ist, gesetzlich bedingte Überforderungen der Städte und Gemeinden entsprechend zu kompensieren.
Die fünf Verfassungsänderungen
Doch nun zu den fünf Verfassungsänderungen, die die Oberfranken mittragen sollen.
Man fragt sich als Pirat schon, wieso gut 90% der Abgeordneten quasi im Block und ohne große Diskussion am Betriebssystem des Freistaates herumschrauben, ohne jedoch einen Katalog zu diskutieren, der potentielle Gefährungen durch die Änderungen klarstellt. Jede der Blockparteien beschreibt lediglich ihren Sinn und Zweck als politischen Nutzen – quasi Luftschlösser, die den Bürgern als solides Eigenheim angeboten werden.
- Was haben solche interpretationsfähigen Bestimmungen in einer Verfassung zu suchen?
- Wieso werden die Interpretationsmöglichkeiten nicht unmittelbar durch die Verfassung beschränkt?
Jede Partei geht mit ihrer Satzung sorgsamer um.
Diese inhaltsleeren Staatsziele müssen sowieso durch die normale Gesetzgebung gestaltet werden. – Und so werfen sich weitere Fragen auf:
- Will man die Bayrische Verfassung so mit unscharfer Symbolpolitik einfärben?
- Möchte man der Nachwelt seine Duftnote hinterlassen?
- Ist der Machtanspruch einer politischen Klasse über die Verfassung ein Gefährungspotenzial für die Menschen sowie Staat und Gesellschaft?
- Wieso will herrschende Politik allgemein die Lebensverhältnisse und Arbeitsbedignungen der Menschen bestimmen können?
- Wieso will man als „förderungswürdig“ klassifizierend Einfluss auf Ehrenämter nehmen?
- Wieso sollen Förderungen verschiedenste Verhältnisse und Bedingungen gewichten?
- Welchen Charakter haben diese Förderungen? – Fördern und Fordern?
- Darf die EU dann generell Rechte und Pflichten der bayrischen Staatsbürger bestimmen?
- Sind Oberfranken auch bayrische Staatsbürger?
- Sind nur Kredite Schulden?
- Welche Gemeinden werden wie angemessen finanziell ausgestattet?
- Sind diese Volksentscheide tatsächlich nur wohlklingende Absichtserklärungen bzw. Luftnummern?
- …
Fragen über Fragen, bis heute in der Öffentlichkeit nur unzureichend diskutiert, wenn man die tatsächliche Tragweite von Verfassungsänderungen bedenkt.
Im Grunde muss man schon aufgrund des Verfahrens sowie den zugrundeliegenden Bedingungen jeden der fünf Volksentscheide pauschal ablehnen.
Doch so einfach machen wir es jetzt nicht und betrachten im Folgenden die fünf Volksentscheide wohlwollend, um sie mittels Kritik gebührend zu würdigen:
Volksentscheid 1 – „Förderung gleichwertiger Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen“
„Er [der Staat] fördert und sichert gleichwertige Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen in ganz Bayern, in Stadt und Land.“ klingt wie ein edles Ziel zur Gerechtigkeit im Land. Liest man jedoch in der Begründung die besondere Hervorhebung „gleichwertiger (nicht gleichartiger) Lebensverhältnisse und Arbeitsbedingungen als Staatsziel„, stellt sich die Frage, welche Weltanschauung nun umfassend den „Wert“ der Lebensverhältnisse im ganzen Land bestimmt.
Man fragt sich, ob herrschende Politik eine dehnbare Worthülse in die Verfassung schreibt, durch die man einen politisch willkürlichen Wertmaßstab einschleusen kann. So wird der herrschende Politik dann durch die Verfassung erlaubt, Sinn- und Zweck des Lebens und Arbeitens vergleichend vorzugeben.
So maßen sich politische Parteien im Block an, die Verhältnisse der Menschen zum Leben sowie zu den sie ausmachenden Dingen bestimmen zu können.
Auch wenn man es sich wünscht, resultiert aus der Änderung kein einklagbares Bürgerrecht sondern nur Staatsrecht! – Durch das der Staat seine ökonomische wie utilitaristische Ethik den Menschen anmaßen kann. – Auch diese Fragen muss man sich stellen:
- Stellt der Staat so eine normative Seinsbestimmung für die Menschen her?
- Wird so die Würde des Menschen mittelbar angetastet?
- Was sind mögliche Auswirkungen?
- Was kann schiefgehen?
Volksentscheid 2 – „Förderung des ehrenamtlichen Einsatzes für das Gemeinwohl“
„Staat und Gemeinden fördern den ehrenamtlichen Einsatz für das Gemeinwohl.“ – Auch hier stellt sich die Frage:
- Warum gibt sich herrschende Politik das Recht, bestimmte Ehrenämter explizit zu fördern?
Erstaunlich ist hierbei, dass Ehrenämter gefördert werden sollen, die dem „Gemeinwohl“ dienen.
Das „Gemeinwohl“ bestimmt sich jedoch nicht am politisch willkürlichen Nutzen einer abstrakten „Allgemeinheit“, sondern ist als Rechtsstaat die Verwirklichung von Recht zum „Wohle jedermanns“.
In diesem Sinne sind auch „Alle Bewohner Bayerns […] zur Übernahme von Ehrenämtern, verpflichtet.“
Der beabsichtigte Nachsatz zu Artikel 121 der Verfassung bewirkt im Grunde nicht eine generelle Förderung von ehrenamtlichem Einzatz für den Rechtsstaat als Gemeinwohl, sondern stellt den Sinn und Zweck des Rechtsstaates im Begriff „Gemeinwohl“ zur politischen Disposition: Die Mitglieder der politische Klasse maßen dann ihren individuellen Nutzen als Sinn und Zweck dem Rechtsstaat an. Was insbesondere dadurch klar wird, dass auch kommunale Politik über die Entscheidung „Förderfähiges Ehrenamt“ das „Gemeinwohl“ nach ihrem Nutzen willkürlich bestimmt.
Das „Gemeinwohl“ ist dann nicht mehr rechtsstaatlich als „Verwirklichung von Recht“ zum „Wohle jedermanns“ begriffen, sondern willkürliche politische Verfügungsmasse einer herrschenden Politik.
Was dabei schiefgehen kann?! – Denk selbst!
Volksentscheid 3 – „Angelegenheiten der Europäischen Union“
Es ist fragwürdig wieso die derzeit herrschende Politik durch die Änderung des Artikel 70 implizit die Übertragung hoheitlicher Rechte an die EU billigt, obwohl der Landtag als verfassungsmäßig alleiniger Gesetzgeber verfassungsgemäß diese Rechte nicht übertragen kann.
Da jedoch insbesondere „das Recht der Gesetzgebung“ als „betroffen“ erkannt wird, stellt sich die Frage, ob durch die Änderung, die EU zur rechtgebenden Institution erhoben wird, bzw. ob die EU als faktischer Gesetzgeber erkannt und so nun verfassungsmäßig legitimiert wird.
Da eine Ermächtigung der EU als Gesetzgeber z.Z nicht verfassungsgemäß ist, scheint diese Änderung implizit die EU als Gesetzgeber zu ermächtigen.
Dass sich der Landtag Unterrichtungspflicht der Exekutive sichert sowie seine Stellungnahmen zur Maßgabe macht, scheint lediglich eine Augenwischerei für die Bevölkerung, da klar „das Recht der Gesetzgebung durch die Übertragung von Hoheitsrechten auf die Europäische Union betroffen“ ist.
Und es ist doch heute schon verfassungsgemäß Wirklichkeit, dass die „Staatsregierung in ihren verfassungsmäßigen Aufgaben“ durch die Gesetzgebung des Landtags gebunden ist. – Oder nicht?!
Im Grunde ist auch diese Änderung eine Mogelpackung: Es geht scheinbar nicht um „Angelegenheiten der Europäischen Union„, sondern um die Ermächtigung, Angelegenheiten des Landtags an die Europäische Union abzugeben bzw. die EU als übergeordneten Gesetzgeber zu akzeptieren.
Wieso dass so verfasst wird, bleibt unklar im Dunkeln. Eine umfassende Begründung bzw. öffentliche Diskussion dazu fehlt.
Was dabei schiefgehen kann?! – Denk selbst!
Volksentscheid 4 – „Schuldenbremse“
Die Schuldenbremse, die keine ist: Das allein der Begriff „Nettokreditaufnahme“ als Grundsatz für den Haushalt herangezogen wird, ist zum Lachen; – wenn das Thema nicht so ernst wäre.
Somit werden die Schulden des Staates allein als kreditäre Forderungen der Gläubiger bzw. Banken verstanden.
- Was ist jedoch mit anderen Leistungsversprechen sowie Maßnahmen herrschender Politik, aus denen Forderungen gegen den Staat in der Zukunft entstehen?
Wenn man die zukünftigen Generationen nicht mit den aus der Gegenwart folgenden Forderungen belasten will, muss man über den kaufmännischen Tellerrand hinausblicken, der nun mit dieser Änderung in der Verfassung festgeschrieben werden soll.
Was im Grunde benötigt wird ist ein Forderungsmanagement, was ebenso die zukünftigen, auch nicht monetären Kosten staatlichen Handelns berücksichtigt.
Für die Blockparteien wäre es ein Einfaches gewesen, über die normale Gesetzgebung eine entsprechende Finanzordnung für den Staatshaushalt zu erlassen, die sich der Nettokreditaufnahme annimmt.
Es ist also völlig unnötig, die Verfassung zu ändern, insbesondere da pauschale Ausnahmetatbestände formuliert sind, die dann willkürlich durch herrschende Politik in der sowieso nötigen gesetzlichen Regelung bestimmt werden.
- Was soll das also mit der „Nettokreditaufnahme“?
- Muss man so verfassungsgemäß priorisiert ausschließlich Forderungen der Finanzindustrie bzw. Gläubiger bedienen?
Was dabei schiefgehen kann?! – Denk selbst!
Volksentscheid 5 – „Angemessene Finanzausstattung der Gemeinden“
Nein – Nicht „der Staat gewährleistet den Gemeinden im Rahmen seiner finanziellen Leistungsfähigkeit eine angemessene Finanzausstattung„, sondern es ist die jeweils herrschende Politik im Staat, die ebenso bestimmt was unangemessen ist. Dabei ist ihrer Anmaßung innerhalb der unbestimmten „finanziellen Leistungsfähigkeit“ keine verfassungsmäßige Grenze gesetzt.
Man stelle sich nun vor, wie mit zentralistischem Machtanspruch der politischen Klasse bestimmte Städte und Gemeinden angemessen gefördert werden; – und …
- … wie wirkt sich das dann auf den faktisch existierenden kommunalen Wettbewerb aus?
- Wirkt hierbei die zielgerichtete Anmaßung des in München beschlossenen Landesentwicklungsprogramms, das ebenso kurz noch vor der Sommerpause beschlossen wurde?
Was kann hier in Schieflage geraten?! – Denk selbst!